Offenstallwissen

Offenstallwissen

Heu oder Gras?

Veterinäramt Hannover fördert Offenstallhaltung

Veröffentlicht am 20.3.2019

Man trifft immer wieder auf Betriebe, in denen die Pferde kaum noch auf die Weide dürfen, obwohl eigentlich größere Flächen zur Verfügung stehen. Stattdessen wird so viel Heu wie möglich produziert und dieses dann das ganze Jahr über gefüttert. Der Grund ist meist die Angst vor Hufrehe Erkrankungen. Diese Entwicklung finde ich aus mehreren Gründen sehr schade:

  • Pferde haben beim Grasen eine optimale Fresshaltung und sie bewegen sich langsam über die Fläche. Es gibt keinen Futterneid, alle können sich ausreichend aus dem Weg gehen. Grasen in der Herde ist gut für die Psyche und für den Bewegungsapparat.
  • Gras ist das natürlichste Futtermittel und hat einen höheren Vitamingehalt als Heu.
  • Alte Pferde können Gras besser kauen/verdauen als Heu.
  • Da im Gras viel Wasser enthalten ist, nehmen die Pferde beim Grasen bezogen auf den Trockenmassegehalt weniger Futter zu sich als beim Heu
  • Das, was die Pferde an Gras fressen, braucht der Betreiber nicht an Heu zu füttern. Man spart viel Zeit und Geld.
Weidehaltung Offenstall

Heu ist kein komplett anderes Futtermittel, sondern nur getrocknetes Gras. Da stellt sich also die Frage, warum Heu bevorzugt wird.

Eigenschaften vom Heu

Heu wird dann gemacht, wenn das Gras im möglichst optimalen Zustand ist, also lang gewachsen und für Pferde, die nicht im Hochleistungssport gehen, Mitte bis Ende der Blütezeit. Der größte Vorteil beim Heu ist somit, dass es sich nicht verändert (außer in der Qualität bzgl. Schimmelbefall). Man kann es analysieren lassen und weiß dann genau, was man da füttert. Hauptnachteile: mehr oder weniger große Belastung mit Schimmel- und Hefepilzen, ungünstigere Fress-Situation für die Pferde bzgl. Fresshaltung und Futterneid, Herstellungskosten und Fütterungsaufwand.

Eigenschaften vom Gras

Gras kann dagegen von der Qualität stark schwanken, von vollkommen ungeeignet bis super geeignet und damit besser als das Heu. Aber das ist kein „Hexenwerk“, sondern man kann es sich logisch herleiten:

Graslänge

Der absolut wichtigste Punkt ist, dass man die Flächen nicht überweidet! Das ist aus mehreren Gründen wichtig:

  • Im unteren Teil des Grashalmes ist der meiste Zucker gespeichert. Kommen Pferde auf kurz gefressene Weiden, nehmen sie somit Gras mit einem höheren Zuckergehalt zu sich.
  • Wird das Gras einmal abgefressen, dann kann es aus seinen Speicherstoffen sehr schnell wieder auswachsen. Wird es jedoch mehrfach und sehr kurz abgefressen, dann benötigt es viel Zeit, um wieder wachsen zu können. Mit einer Beweidung „kurze Zeit auf wenig Fläche“ hat man daher viel mehr Grasaufwuchs als mit „lange Zeit auf viel Fläche“, da die Pferde dann vor allem die schmackhaften Gräser immer wieder abfressen.
  • Sehr kurz gefressene Gräser haben Stress und es steigt die Gefahr einer übermäßigen Endophytenbelastung (das sind Pilze, die im Gras leben und Giftstoffe gegen Fraßfeinde produzieren).
  • Überweidete Flächen sind ökologisch tot, der Boden ist stark verdichtet und der Bewuchs wird immer einseitiger.

Grassorten

Wenn ich Heu von der eigenen Fläche mache, dann habe ich im Heu die gleichen Gräser, wie im Gras. Es entsteht somit durch die Heufütterung keine Verbesserung. Etwas anders ist die Situation, wenn ich wertvolles Bergwiesenheu kaufe und auf meinen eigenen Flächen Kuhgräser stehen habe :-).

Allgemein sollte man sich ansehen, welche Grassorten hauptsächlich auf den Weiden stehen. Dafür braucht man keinen Experten. Zur Blütezeit kann man die Gräser sehr leicht erkennen. Einfach mal im Internet oder im Bestimmungsbuch Bilder von verbreiteten Grassorten ansehen. Weidelgras und Rohrschwingel sind Gräser mit eher hohem Zucker- und Fruktangehalt, Knaulgras, Wiesenlieschgras, Wiesenfuchsschwanz, Straußgras, Kammgras sind für Pferde günstiger zu beurteilen.

Habe ich einen vielfältigen Bewuchs mit gut geeigneten Gräsern, dann kann ich mit den folgenden Einschränkungen etwas lockerer umgehen. Stehen auf der Weide nur die Hochzuckergräser, dann muss man etwas vorsichtiger herangehen.

Bodenzustand und Wetter

Wann kann Gras gefährlich werden und wann nicht? Gras ist für Pferde schlechter geeignet, wenn es viel Zucker produzieren konnte (sonnige Wetterlage) und diesen Zucker jedoch nicht in Wachstum umsetzen kann, weil es zum Beispiel viel zu trocken ist (Dürre im Sommer) oder weil es zu kalt ist (erste Tage im Frühling, späterer Herbst) oder weil keine Nährstoffe im Boden sind (keine Düngung trotz intensiver Nutzung).

Ich möchte es jetzt noch einmal positiv ausdrücken und beschreiben, wie man vorgehen sollte, damit die Pferde möglichst viel Zeit gefahrlos auf der Weide verbringen können.

So funktioniert Weidehaltung

Man hat möglichst viele Weiden zum Wechseln, je mehr, umso besser. Jedes Weidestück wird nur so lange von der Herde genutzt, bis das Gras auf 10-12 cm Restlänge abgefressen ist. Dann erfolgt der Wechsel auf eine andere Weide. Die Weidezeit richtet sich dabei nach der Anzahl und Größe der Weiden und der Qualität des Aufwuchses. Man versucht so zu planen, dass die Pferde das ganze Jahr über Gras fressen können. Im Frühsommer hat man meist relativ viel Gras zur Verfügung. Da kann man sich längere Weidezeiten leisten, zum Herbst wird es mit dem Aufwuchs weniger, da muss man dann eventuell stärker einschränken. Wichtig ist, dass die Länge der einzelnen Halme nicht unter 10 cm kommt.


Wenn man keine riesigen Flächen zur Verfügung hat, dann ist man auf einen guten Aufwuchs angewiesen und benötigt eine Düngung. Diese sollte organisch sein, am besten mit kompostiertem Pferdemist (Kreislaufwirtschaft, ökologisch und kostengünstig). Die schonende Nutzung und die organische Düngung führen schon von alleine zu mehr Vielfalt auf den Weiden. Mit entsprechenden Nachsaaten kann man das noch unterstützen.

Aufpassen zu diesen Zeiten

Zu folgenden Wetterlagen / Jahreszeiten sollte man vorsichtig sein und gegebenenfalls die Weidezeit einschränken (hat man eine gute Weidequalität und keine vorgeschädigten Pferde, dann kann man das großzügiger handhaben. Hat man Pferde mit Stoffwechselstörungen und Weiden, auf denen nur Hochleistungsgräser stehen, dann muss man strenger sein):

  • Im Frühjahr beim ersten Aufwuchs; bei empfindlichen Pferden möglichst spät anweiden, wenn das Gras schon 20-30 cm hoch steht.
  • In größeren Dürreperioden kann das Gras nicht wachsen und speichert mehr Zucker ein, eventuell Weidezeit einschränken
  • Im Herbst, an sonnigen Tagen, wenn die Temperaturen nachts unter 5 Grad sinken (viel Photosynthese, aber kaum Wachstum). Auch dann eventuell Weidezeit einschränken.

Beste Weidezeit ist bei relativ warmen Temperaturen und wechselhaftem Wetter.

Weidehaltung Offenstall

Unsere Erfahrungen

Wir haben auf Gut Heinrichshof eine Offenstallgruppe, die im Sommer 24 Stunden Weidezugang hat (in dieser Gruppe steht meine eigene Stute, ein ehemaliges Rehe-Pferd). In dieser Zeit wird dann kein Heu gefüttert. Unsere Erfahrungen sind sehr positiv. Die zu dicken Pferde nehmen über den Sommer etwas ab, die alten und eher zu dünnen Pferde nehmen in der gleichen Zeit eher zu. Die Pferde genießen die Weidezeit und haben einen besseren Herdenzusammenhalt. Sie gehen geschlossen von der Weide in den vorderen Paddockbereich zum Trinken und zum Dösen in den Unterständen und ziehen dann auch wieder zusammen los zur Weide. Und wir haben in dieser Zeit viel weniger Arbeit und benötigen kein Heu.